18. Februar 2017

Scherbenhaufen

Kino | »Offene Wunde deutscher Film« von Dominik Graf und Johannes F. Sievert (2017)

»What are you doing in Germany?« Wie auf der letztjährigen Berlinale angekündigt, setzen Dominik Graf und Johannes F. Sievert ihre mit »Verfluchte Liebe deutscher Film« begonnene essayistische Betrachtung des deutschen Genrekinos fort. »Offene Wunde deutscher Film« wirkt dabei weniger wie ein zweiter Teil denn wie ein zweiter Versuch, das Thema zu fassen. Legte »Verfluchte Liebe«, mit intensiver Würdigung der Werke von Klaus Lemke, Roland Klick und Roger Fritz noch einen halbwegs deutlichen historischen Schwerpunkt auf die späten 60er und frühen 70er Jahre, flottiert »Offene Wunde« frei zwischen Zeiten, Orten, Machern: von Enke/Spils’ Münchner Schlaffi-Komödien über experimentierfreudige Fernsehstücke à la Menge (»Smog«), Lemke (»Rocker«), Bringmann (»Theo«) zu Jürgen Goslars rhodesischen Exploitation-Expeditionen (»Der flüsternde Tod«), vom Provinz-/Trash-/Bahnhofskino eines Wolfgang Büld (laut Olaf Möller »ein Ein-Mann-Sonderweg, der gerne der Hauptweg wäre«) über den postfaschistischen Kryptohorror des Nachkriegsfilms (»Rosen blühen auf dem Heidegrab«) zu Wolfgang Petersens Weg vom »Tatort« aufs »Boot« nach Hollywood, von den dunklen Geheimnissen Grünwalds über das mal mehr, mal weniger erfolgreichen Publikumskino der 80er Jahre (Schmidt, Schenkel, Huettner, Müllerschön) zur fast vollständigen Austrocknung der Genresümpfe nach der Wende (es berichten: Robert Sigl und Achim Bornhak). Graf spricht mit Produzenten (Berling, Schühly, Geissler), die leidlich amüsante Anekdoten beisteuern, mit Komponisten (Schoener, Knieper, Doldinger), die sich unter anderem zum Stellenwert der Melodie in der deutschen Filmmusik äußern, mit Schauspielern, Kritikern, Redakteuren, auch mit zwei seiner Drehbuchautoren (Kai Meyer und Günter Schütter), ohne allerdings die eigene (durchaus wichtige) Rolle im deutschen Genrefilm und -diskurs zu thematisieren oder zu reflektieren. Die Zahl der Interviewpartner hat sich im Vergleich zum Vorgängerfilm gefühlt verdoppelt – entsprechend fetzenhaft und oberflächlich bleiben viele der Statements. Wiederum zeigen Graf und Sievert auf, daß von einer »Geschichte des deutschen Genrekinos« nicht die Rede sein könne, daß lediglich die Unternehmungen, Abenteuer, Geniestreiche von Einzelnen, Vereinzelten, Einsamen zu beschauen und bestaunen seien; ihre sprunghaft-abgehackte Herangehensweise an den Gegenstand erzeugt in diesem Falle allerdings vollends den Eindruck inhaltlicher Beliebigkeit und erzählerischer Verwirrung.

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