8. Juli 2016

Standbild (10)

Umleitung

Außen. Autobahn. Nacht. Die Scheinwerfer eines Fahrzeugs beleuchten mehrere, in kurzen Abständen schräg hintereinander aufgestellte Absperrschranken, die den zweispurigen Fahrdamm der Fernstraße blockieren. Die breiten, diagonal gestreiften, mit grell aufscheinenden Reflektoren besetzten Schilder sind auf Metallpfosten befestigt, die in kegelförmigen Betonfüßen stecken. Über der zweiten Barriere wurden zusätzlich drei Verkehrszeichen montiert: zuoberst ein rundes Schild, weiß mit dunklem Kreisrand, das die Durchfahrt verbietet, darunter zwei nach rechts gerichtete Pfeile mit den Aufschriften »Detour« und »Umleitung«. Diese beiden Hinweistafeln zeigen nicht nur in Richtung des schmalen, als Ersatzfahrspur dienenden Seitenstreifens, sondern auch auf eine vor der Absperrung stehende junge Frau, die, dezent geschminkt, direkt in das Frontlicht des vor ihr haltenden Wagens blickt. Sie trägt einen hellen Popelinemantel, hochhackige schwarze Schuhe und einen zum Kopftuch gebundenen, unter dem Kinn geknoteten Seidenschal, der ihr aus der Stirn gekämmtes blondes Haar bis zur Kopfmitte sichtbar läßt. Links neben ihr liegt ein prall gefüllter Rucksack mit zwei aufgesetzten Taschen auf dem Asphaltboden. Der Fahrer des Schwerlasters, dessen Scheinwerfer die junge Frau anstrahlen, ein verheirateter Mann mittleren Alters, wird, nachdem er kurz vorher einem Unfalltoten zwanzigtausend Mark abgenommen hat, die attraktive nächtliche Anhalterin mitnehmen, ein Verhältnis mit ihr beginnen, von ihrem Gefährten zur Mittäterschaft bei Schmuggelgeschäften erpreßt werden, um sich schließlich der Polizei zu stellen und reumütig zu seiner Gattin zurückzukehren.

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