31. Mai 2015

An Englishman in Berlin

Kino | »B-Movie« von Jörg A. Hoppe, Klaus Maeck und Heiko Lange (2015)

»Ich fühl’ mich gut, ich steh’ auf Berlin!« (Ideal) Mark Reeder, geboren in Manchester, Plattenverkäufer in einem Virgin Store, Gründer einer erfolglosen Punk-Band, verschlägt es Ende der 1970er Jahre nach Westberlin. Fast vier Jahrzehnte später wird der Engländer mit dem scharf gezogenen Scheitel – Flaneur, Künstler, Musikproduzent, Uniformfetischist – zum Cicerone durch die glorreich-kaputte Spätphase der eingemauerten Halbstadt, die wie kein anderer Ort der deutschen Nachkriegsgeschichte für radikales Laissez-faire, für genialen Dilletantismus, für ekstatischen Absturz steht. Reeder, der Insider mit dem Blick des Auswärtigen, führt das staunende Publikum an Lokalitäten mit so klingenden Namen wie »Dschungel«, »Zensor«, »Risiko«, »Mitropa«, »Eisengrau«, »SO36«, ruinös-glamouröse Treffpunkte von Trash-Bohème und Endzeit-Avantgarde, er läßt die (vor allem musikalische) Prominenz der Epoche – Gudrun Gut und Blixa Bargeld, Christiane F. und Jörg Buttgereit, Farin Urlaub und Jim Rakete, Nick Cave und Westbam – Revue passieren, und weil er selbst einiges (vor allem viel Ironie) auf der Pfanne hat, entgeht seine höchstpersönliche Rückschau weitgehend der Peinlichkeit des oberflächlichen Namedropping. »B-Movie« ist eine sehr familiäre, eine ausgesprochen unterhaltsame, eine erfreulich unsentimentale Reise in die Zeit von New Wave bis Techno, ein Trip zurück in eine Stadt, deren Freiheit – schizophrenerweise – ihrer Abgeschlossenheit entsprang.

23. Mai 2015

The big good wolf

Kino | »Tomorrowland« von Brad Bird (2015)

Früher war alles besser, auch und vor allem die Zukunft. Vor 50, 60 Jahren schien noch alles möglich: Der Blick nach vorne verhieß immerwährenden Fortschritt, nicht unausweichlichen Untergang. Überall sah man den Menschen als Titan, der naturgegebene Grenzen sprengen, der auf der Erde die beste aller Welten schaffen würde. Walt Disney etwa schwärmte von »Our Friend the Atom«, Johannes R. Becher besang eine »allbewegende Kraft: Die Welträtsel zu lösen und gegen den Tod sich zu wehren«. Etwas von diesem systemübergreifenden, optimistischen Zeitgeist sucht »Tomorrowland« in die triste Gegenwart zu retten, in ein Heute, das nur noch Mutlosigkeit und Zynismus zu kennen scheint – frei nach Albert Einsteins Diktum: »Imagination is more important than knowledge.« Es gibt fliegende Züge in diesem Film und hochragende Türme, es gibt unversiegbare Energie und Fahrten durch Raum und Zeit; der Böse heißt Nix, die Guten heißen Walker und Newton; die Zukunft ist ein niedliches (künstliches) Mädchen, das nach eingefleischten Träumern sucht … Daß es eben der Traum von umfassender Machbarkeit, von menschlicher Allmacht war, der zuvor unbekannte Probleme erst heraufbeschwor, blendet Brad Birds (erzählerisch einigermaßen zerfahrenes, formal recht elegantes) Werk geflissentlich aus: Längst erkaltete Hoffnungsfeuer sollen auch unser schwarzes Morgen erleuchten.