24. Mai 2014

Schnurrbart des Grauens

Die Fu-Manchu-Filme der sechziger Jahre

1965 | »The Face of Fu Manchu« von Don Sharp

»He’s cruel, callous, brilliant, and the most evil and dangerous man in the world«, sagt Scotland-Yard-Inspektor Nayland Smith (gespielt von Nigel Green, einem Inbild des britischen Stiff-upper-lip-Kolonialoffiziers) über seinen Gegenspieler: Dr. Fu Manchu (Christopher Lee), ein besonders abgefeimtes Exemplar aus der langen Galerie promovierter Erzschurken – Dr. Caligari, Dr. Mabuse, Dr. No –, greift, wie es sich für den bösartigsten Mann der Welt gehört, nach der Herrschaft über die gesamte Menschheit. Es ist die sprichwörtliche »gelbe Gefahr«, die Fu Manchu in Harry Alan Towers’ englisch-deutscher Koproduktion fratzenhaft verkörpert, der personifizierte Angsttraum des zivilisierten Westens vor der orientalischen Despotie. Nichts weniger als »the secret of universal life« will der Superverbrecher (assistiert von seiner sadistischen Tochter Lin Tang) enträtseln, besser gesagt: aus seltenen tibetischen Samenkörnern destillieren (wozu er die mehr oder weniger freiwillige Hilfe europäischer Gelehrter benötigt), wobei es ihm als großem Zerstörer um die Überwindung des irdischen Lebens geht, um »the life after this life«, kurz: um den Tod. Der Spielort des von Don Sharp mit spröder Eleganz inszenierten, im Zwischenreich von James Bond und Edgar Wallace angesiedelten Pulp-Dramas, das behaglich-graue London der 1920er Jahre, erweist sich als längst unterhöhlt von Geheimgängen und Folterkellern, und immer wieder durchzuckt das grelle Rot einer letalen Bedrohung die stolze Selbstgewißheit der Metropole des Empire. »Remember Fleetwick«, läßt Fu Manchu mit alarmierend ruhiger Stimme über Radio verlauten; kurz darauf ist eine Kleinstadt ausgelöscht – als erpresserische Ankündigung des kommenden, noch verheerenderen Unheils. Am Ende siegt das Gute, und das Böse bekundet seine Unbesiegbarkeit: »The world shall hear from me again.« (Gaststars: Joachim Fuchsberger und Karin Dor)

1966 | »The Brides of Fu Manchu« von Don Sharp

»You have no will, no mind of your own.« Fu Manchu, in giftig glänzendes Smaragdgrün gewandet, will einmal mehr die Weltherrschaft an sich reißen und erweist sich dabei als östlicher Pervertierer westlicher Fortschrittseuphorie: Seine Schergen entführen zu Erpressungszwecken die Töchter genialer (wiederum europäischer) Wissenschaftler, deren kombinierte Forschungsergebnisse die Übermittlung von Zerstörungsenergie via Radiowellen ermöglichen. Am Fuße des marokkanischen Atlasgebirges unterhält der Teufel in Chinesengestalt in einer umgenutzten antiken Tempelanlage seine hochmoderne Leitzentrale, in der zum einen die schönen Frauen als lebende (und hörige) Faustpfände einsitzen, von der aus zum anderen die tödlichen Strahlen in den Äther gefunkt werden. Abermals von Don Sharp ins Werk gesetzt, entbehrt der zweite Teil der Reihe leider sowohl der gelassenen Stilsicherheit des Vorgängers wie auch der kühl-effektvollen Ausmalung von Gefahr: Weder jene Szene, die die ostentative Zerstörung eines Dampfschiffs zeigt, noch der Angriff auf eine hochkarätig besetzte Arms Conference, deren Teilnehmer sich in der Londoner St. Paul’s Cathedral versammeln, schöpfen das vorhandene Spannungspotential auch nur ansatzweise inszenatorisch aus. »In a few moments the entire world will capitulate to me«, phantasiert Fu Manchu; seinem entschlossenen Verfolger Nayland Smith (Sherlock-Holmes-Darsteller Douglas Wilmer ersetzt Nigel Green) gelingt es, wie zu erwarten war, eben dies zu verhindern, freilich ohne das schlitzäugige Grundübel endgültig ausmerzen zu können: »The world shall hear from me again.« (Gaststars: Heinz Drache und Maria Versini)

1967 | »The Vengeance of Fu Manchu« von Jeremy Summers

»World domination? That means Fu Manchu!« Ein Film über Vergeltungsgelüste und über Organisationsstrukturen in einer sich dramatisch wandelnden Welt. Fu Manchu, der sein Hauptquartier in der nordchinesichen Provinz aufgeschlagen hat, schwört blutige Rache an seinem hartnäckigsten Gegner, dem britischen Ordnungshüter Nayland Smith. Gleichzeitig formieren sich zwei antagonistische Interessengemeinschaften: Auf der einen Seite bilden die nationalen Sicherheitskräfte eine globale Polizeibehörde (genannt: »Interpol«) zur vereinten Bekämpfung des weltweiten Verbrechens, welches auf der anderen Seite im Begriffe steht, sich unter einem gemeinsamen Führer (wem wohl?) zusammenzuschließen, um im Kollektiv vernichtende Schlagkraft zu gewinnen. Fu Manchu, das kriminelle Superhirn, das seine asiatischen Zerstörungstaten als »work of infinite pleasure« bezeichnet, plant, die Polizeichefs aller Staaten gegen hypnotisierte Doppelgänger auszutauschen, die ihrerseits brutale Straftaten verübten, wodurch sich das Gesetz gleichsam selbst untergrübe – warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Zum ersten Opfer ist kein anderer als Nayland Smith auserkoren, und in schöner Serientradition muß ein durch Bedrohung seiner Tochter gefügig gemachter westlicher Spezialist widerwillige Hilfsdienste leisten. Von Jeremy Summers professionell aber weitgehend ohne schöpferische Inspiration eingerichtet, läuft das Schurkenstück mit ein paar dezent-grausamen Einlagen auf das planmäßige Finale zu: Fu Manchus ehrgeizige Ideen verpuffen ebenso wie sein palastartiges Befehlszentrum, und durch quellende Rauchschwaden klingt das vertraute Schlußwort: »The world shall hear from me again.« (Gaststars: Horst Frank und Wolfgang Kieling)

1968 | »The Blood of Fu Manchu« von Jess Franco

Jess Franco meets Fu Manchu. Eine Karawane von aneinandergeketteten, in aufreizende Lumpen gehüllten Frauen wird durch den südamerikanischen Urwald gepeitscht. Kein schlechter Anfang für ein sexistisches Mystery-Abenteuer. Auch die Prämisse klingt vielversprechend: Fu Manchu nutzt ein uraltes, verderbenbringendes Geheimnis, um seine Feinde zu bekämpfen: tödliches Schlangengift, das den gekidnappten Schönen per Biß in die Kehle (oder in den Busen) verabfolgt wird, damit es über deren Blut und Lippen die wehrlosen Opfer weiblicher Reize erreiche. Nayland Smith (gespielt von Richard Greene, dem dritten und mit Abstand fadesten Darsteller des wackeren Scotland-Yard-Beamten) ist der Erste einer ganzen Reihe von hochrangigen, aber im filmischen Verlauf unsichtbar bleibenden Zielpersonen, der den Todeskuß empfängt, woraufhin er erblindet und lediglich bis zum nächsten Vollmond Zeit hat, ein wirksames Gegenmittel zu finden. Die simpel-verworrene Handlung läßt – neben den lebensgefährlichen Evastöchtern – einen taffen Archäologen, eine rotbestrumpfte Krankenschwester sowie einen feisten, unentwegt lachenden Schießbudenbanditen unzählige überflüssige Pirouetten drehen, während der chinesische Strippenzieher in einem unterirdischen Inkatempel sitzt, ohne je das Tageslicht zu sehen, ein fast bedauernswerter Gefangener seiner gekränkten Eitelkeit und der daraus resultierenden quasipubertären Allmachtsphantasie. »Everlasting death, horrible, inescapable, universal death«, wünscht Fu Manchu der gehaßten Menschheit an den Hals, doch seine toxische Botschaft bleibt ungehört. Am Ende heißt es wie gehabt: »The world shall hear from me again.« (Gaststars: Götz George und Maria Rohm)

1969 | »The Castle of Fu Manchu« von Jess Franco

»This is Fu Manchu. Once again the world is at my mercy.« Nicht nur die Welt ist der Gnade des ruchlosen Verbrechers (und seines abermaligen Regisseurs Jess Franco) ausgeliefert, sondern auch das Publikum: Das Scheusal hat sich die Geheimformel eines gewissen Professor Hercules verschafft, die es ermöglicht, das Wasser der Ozeane mittels eines kristallinen Opium-Derivats binnen Sekunden in Eis zu verwandeln. Da es noch einige chemische Probleme zu lösen gilt, der Professor jedoch an akuter Herzschwäche leidet, werden kurzerhand ein Chirurg und seine Assistentin entführt, die im Istanbuler Hauptquartier des Schurken eine rettende Organtransplantation durchführen müssen; unterdessen ist Nayland Smith darum bemüht, die Menschheit vor dem ultimativen Gefrierschock zu bewahren … Zu Beginn des Films verwurstet Franco ungeniert die Schlußsequenz des zweiten Teils der Reihe, »The Brides of Fu Manchu«, sowie blau gefärbte Ausschnitte aus dem schwarzweißen Titanic-Drama »A Night to Remember«, um sich sodann lustlos durch die törichte Handlung zu lavieren; nur einige im surrealen Ambiente des Gaudíschen Parque Güell in Barcelona gedrehte Szenen und die bavaesk illuminierte Höhlenwelt von Fu Manchus Blubberlaboratorium faszinieren durch ihr phantastisch-geschmackloses Formgefühl. So erfährt die Legende vom gelben Satan schließlich und endlich ihre Entzauberung in kinematographischem Blödsinn: The Folly of Fu Manchu oder Die Debilität des Bösen. The world shall not hear from him again. (Gaststars: Günther Stoll und Maria Perschy)

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