15. Oktober 2013

Strange Illusions

Drei Science-Fiction-Filme von Edgar G. Ulmer

1951 | »The Man from Planet X«

Ein unbekannter Planet nähert sich der Erde. Professor Eliot begibt sich mit seinem Assistenten auf eine abgelegene schottische Insel, wo der geringste Abstand des vorbeifliegenden Himmelskörpers zur Erdoberfläche erwartet wird; mit von der Partie sind die patente Tochter des Professors und ein taffer amerikanischer Reporter. In der kargen, einsamen Moorlandschaft wird zunächst eine rätselhafte Sonde aus einer fremdartigen Metallegierung (x-fach leichter und härter als Stahl) entdeckt, dann ein Raumfahrzeug extraterrestrischer Provenienz … Ob die gespenstige Kreatur, die dem Flugobjekt entsteigt, in friedlicher oder feindlicher Absicht gekommen ist, bleibt zunächst rätselhaft. Das blicklose Gesicht des kindlich-greisenhaften Wesens, halb Jawlensky-Kopf, halb afrikanische Maske, läßt keine mimische Regung erkennen, wird dabei zum Spiegel widerstreitender menschlicher Interessen zwischen wissenschaftlicher Aufklärung und wirtschaftlicher Ausbeutung der kosmischen Geheimnisse – bis sich mit der (traurigen) Geschichte des Planeten X auch die Pläne des außerirdischen Besuchers enthüllen … Edgar G. Ulmer läßt zeittypische Themen wie Gedankenkontrolle, Invasionsangst und die drohende (Selbst-)Auslöschung der Zivilisation anklingen, spielt in seiner bescheiden märchenhaften B-Inszenierung effektvoll mit elektronischen Tönen und puppentheatralen Miniaturmodellen, formt aus tiefen Schatten, dichtem Nebel und schimmernden Lichtern (Kamera: John L. Russell) surreal-poetische Momente voller Ambivalenz und (trivialen) Zaubers.

1960 | »Beyond the Time Barrier«

»None of this is real. It’s all an illusion to me.« Als Major Bill Allison, Testpilot der US-Luftwaffe, von einem Überschallflug in großer Höhe zurückkehrt, findet er seine Air Base in Trümmern liegend. Er wandert durch desolate Landschaften und gelangt zu einer strahlenden Stadt, deren Bewohner ihn gefangen setzen. Langsam begreift Allison, daß er durch die Zeit ins Jahr 2024 geschleudert wurde. In der »Zitadelle«, einer caligaresken Art-Déco-Festung, deren phantastische pyramidal-trianguläre Innenwelten (Bauten: Ernst Fegté) die eigentliche Attraktion des Films ausmachen, haben sich die Überlebenden einer (durch Kernwaffenversuche herbeigeführten) Pandemie verschanzt, die im Jahre 1971 fast die gesamte Erdbevölkerung dahinraffte. Von aggressiven »Mutanten« bedroht, stumm (bis auf den alten, weisen Anführer) und unfruchtbar (bis auf die hübsche Enkelin des Chefs), sehen die letzten Menschen in Major Allison ihre letzte Hoffnung: Er soll in die Zeit vor der Katastrophe zurückkehren, um das große Sterben zu verhindern … Chris Marker wird ein ähnliches Szenario drei Jahre später in seinem vielschichtigen photo-roman »La jetée« auf ungleich höherem philosophischen und visuellen Niveau entwickeln, Edgar G. Ulmer verarbeitet Themen wie Atomangst und mögliche Zerstörung aller Lebensgrundlagen zu einer naiv-linkischen Pulp-Dystopie mit warnender Schlußbelehrung: »Gentlemen, we’ve got a lot to think about.«

1960 | »The Amazing Transparent Man«

»Amazing« ist an diesem in jeder Beziehung billigen Sci-Fi-Thriller nicht besonders viel: Ein durchgeknallter Ex-Major träumt von der Aufstellung einer unsichtbaren Armee, zu welchem Behufe er einen genialen deutschen Wissenschaftler erpreßt, der schon zwangsweise den Nazis zu Willen sein mußte. Der fiese Schurke läßt zudem einen Meisterdieb aus dem Gefängnis befreien, damit dieser Nuklearmaterial »X-13« aus Staatsbesitz beschaffe, das zur weiteren Verbesserung der Unsichtbarkeitsmaschine erforderlich ist … Im Gegensatz zum back-to-back produzierten »Beyond the Time Barrier« gelingt es Edgar G. Ulmer nicht, dem hanebüchenen Stoff jenseits oberflächlichster Fortschrittskritik ein gewissen Maß von Größe (oder Größenwahn) einzuhauchen. Ein verschnarchtes texanisches Farmhaus als Zentrale des Bösen, ein klappriges Wellblechlaboratorium unterm Dach – beginnt hier die Weltherrschaft? Neben dem holprigen Erzählbogen des kurzen Films, den uninspirierten (Nutz-)Dialogen und den primitiven, allzu augenfälligen Effekten enttäuscht vor allem die weitgehend lustlose, statische Inszenierung; lediglich einige schwebende subjektive Einstellungen aus dem »Blickwinkel« des Unsichtbaren verraten etwas von Ulmers außergewöhnlicher Fähigkeit, buchstäblich mit Nichts visuelles Aufsehen zu erregen.

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