12. September 2013

Looking without seeing

DVD | »The Draughtsman's Contract« von Peter Greenaway (1982)

In einem Vexierbild ist, nach Franz Kafka, das Versteckte deutlich und unsichtbar zugleich – niemals fände man etwas darin, wüßte man nicht, daß es in ihm steckt. Peter Greenaway treibt das Spiel mit der optischen Täuschung noch ein Stückchen weiter: Sein hochbarockes picture puzzle um ländliche Intrigen und den nassen Tod eines Edelmannes geizt nicht mit Schauwerten, Hinweisen und Spuren, verweigert sich jedoch hartnäckig einer finalen Lösung des dargeboteten Rätsels … Im Zentrum der Erzählung steht der so arrogante wie naive Zeichner Mr. Neville (Anthony Higgins), der im Sommer des Jahres 1694 zwölf Ansichten des Herrensitzes Compton Anstey fertigen soll und während dieser Arbeit in die Ränkespiele eines aristo­kra­tischen Hauswesens verwickelt wird. Die simple naturalistische Anschau­ung, die penibel akkurate Nachzeichnung, mit welcher der Künstler meint, seine Aufgabe bewältigen zu können, macht ihn sehenden Auges blind für die verborgenen Bedeutungen, die sich in und hinter den von ihm beflissen reproduzierten Oberflächenphänomenen verbergen. »The Draughtman’s Contract«, eine delikate Abfolge von geometrischen Arrangements, lebenden Bildern und preziösen Dialogen, läßt sich glei­cher­maßen als elegant inszenierter Whodunit ohne befrie­digende Aufklärung wie auch als kunsthistorische Schnitzeljagd voller Reverenzen und ironischer Reflexionen goutieren. Michael Nymans, an Vorbilder des 17. Jahrhunderts angelehn­te, minimalistische Kompositionen treiben den Film energisch an ein Ende, daß die Definition der Gebrüder Grimm bestätigt, nach der »Vexierbilder, die, von der einen Seite betrachtet, reizend aussehen, von der andern ins Auge gefaßt, einen grauenhaften Eindruck machen.«

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