20. Februar 2013

Play it again

Zwei dreiste Klassiker-Remakes von Jonathan Demme

2002 | »The Truth About Charlie«

Wenn »Charade« Givenchy ist, dann ist »The Truth About Charlie« Tati – allerdings nicht Jacques sondern das rosa-weiß karierte Pariser Billig­kauf­haus. Aber auch das hat seine Meriten – genau wie Demmes hektische Paraphrase über Stanley Donens geschmackvolle 1963er Thriller-Romcom. Demme packt seine ganze Liebe zur französischen Hauptstadt und zur Nouvelle Vague in diesen Film, und wie jede große Liebe macht ihn auch seine gelegentlich blind – blind für ein paar tiefe Löcher in der Story, blind für die schwache Motivation einiger Charaktere. Andererseits öffnet seine Liebe ihm (und dem geneigten Zuschauer) die Augen für wundevolle Kinomomen­te: wie Thandie Newton (in der Audrey-Hepburn-Rolle) und Mark Wahlberg (als Cary-Grant-Aushilfe) im Taxi Rotwein trinken, wie Tim Robbins (als überzeugender Walter-Matthau-Ersatz) der bedripsten Newton im Riesenrad (nicht) die (ganze) Wahrheit über ihren Mann Charlie sagt, wie Charles Aznavour plötzlich im Zimmer steht und ein Liebeslied singt, wie die zeitlose Années-soixante-Legende Anna Karina eine Disco rockt. Ein Gespür für Eleganz kann man Demme nicht nachsagen, aber sein Film hat die brutale Lebendigkeit einer Meute am Wühltisch.

2004 | »The Manchurian Candidate«

Demme präsentiert eine nicht ungeschickte Modernisierung des besten, weil (neben Kubricks »Dr. Strangelove«) sarkastischsten Politthrillers der 1960er Jahre, auch wenn es seiner Fassung sowohl am hämischen Witz als auch an der expressiven Ästhetik gebricht, die John Frankenheimers geniale Adaption der Vorlage von Richard Condon auszeichnen. Demme verlegt den Rahmen der Erzählung von Korea in den Irak und ersetzt die äußere Bedrohung der freien (?) Welt durch eine innere: Der »candidate« wird nicht mehr, wie zur Zeit des Kalten Krieges, von den bösen Kommunisten ferngesteuert sondern vom militärisch-industriellen Komplex der USA selbst. Statt ironisch die Wirkungsweise eines lebensgefährlichen politischen Virus (und die damit einhergehende paranoide Hypochondrie) zu beschreiben, schildert »The Manchurian Candidate« 2004 mithin eine lebensgefährliche institutionelle Autoimmunerkrankung – und versucht so, Eisenhowers prophetische Warnung vor einer Aushöhlung der Demokratie durch die konspirative Vernetzung von Machteliten filmisch auf den Punkt zu bringen. Die Darstellung der Verschwörung wird überragt von der Darstellerleistung Meryl Streeps (in der 1962 von Angela Lansbury verkörperten Mutterrolle), die ihren vordersten Tabellenplatz in der Liga der außer­ordentlichen (und hochintelligenten) Komödiantinnen einmal mehr glanzvoll verteidigt.

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