9. Dezember 2011

In den Augen der Öffentlichkeit

Kino | »The Big Eden« von Peter Dörfler (2011)

Rolf Eden als ›Rolf Eden‹: Playboy und Schwadroneur, Nachteule und Geschäftsmann, Akkordstecher und Kamerajunkie. »Das schöne Leben mit Eden«, das der (inzwischen 80jährige) Protagonist sich und anderen seit Dezennien konsequent vorspielt, beginnt alltags mit der ausführlichen Morgentoilette (viel Haarspray), setzt sich fort mit einem im blütenweißen Flauschfrotteemantel eingenommen Frühstück (Pfennigs-Feinkostsalat aus dem Plastikbecher), wobei Freundin Brigitte (sprich: Brischitt) flunsch­mündig in der Zeitung (»Berliner Morgenpost«) blättert, während die (hoffentlich skandalträchtigen) Pressetermine des Tages durchgesprochen werden; dann folgt die Ausfahrt im frischpolierten Rolls – zum Beispiel um eine eigens zu Dreharbeiten für eine Rolf-Eden-Dokumentation anreisende Exfreundin (»Schnuppi«) vom Flughafen abzuholen … Die beste Idee von Autor und Regisseur Peter Dörfler ist es, gar nicht erst den Versuch zu unternehmen, die von Eden errichtete Selbstkulisse zu durchbrechen; indem sich »The Big Eden« mit großer Konsequenz, insistierender Aufmerk­samkeit und sicherem Formgefühl der Oberfläche des Phänomens widmet, gelingt es dem Film immerhin, das gültige mediale Abbild dieser einmalig öffentlichen Person zu schaffen. Als von vielbeschrieenen Entblößungsformaten wie »Big Brother« noch nicht im Entferntesten die Rede war, hat Eden sein Happy-Terror-Ego der Allgemeinheit schon zugleich rückhaltlos preisgegeben und unerbittlich aufgezwungen; auf diese Weise wurde er – im engen Rahmen von Westberlins bestenfalls provinzieller Weltläufigkeit – zur Spiegelkugel, in der sich Degout und Sehnsucht einer gierig-verklemmten Gesellschaft brachen (und brechen). Selbst Edens sieben Kinder und die dazugehörigen sieben Mütter können nur rätseln, ob sich hinter der (mittlerweile recht zombiesken) Charakter­maske eine reale Person verbirgt. Lediglich die Erzählungen von alten Freunden aus Israel (bzw. Palästina, wo Eden nach der Emigration der Familie 1933 Kindheit und Jugend verbrachte), etwa die Erinnerungen von Kriegskameraden aus der Einheit von Yitzhak Rabin, lassen so etwas wie einen lebenden Menschen erahnen, ein Wesen mit biographischen Brüchen, mit Sinnen, Neigungen, Leidenschaften: Wenn man Rolf Eden stäche, würde er vermutlich bluten.

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